Regensburg ist für jeden geschichtlich Interessierten immer ein Besuch wert. In der Stadt gibt es jede Menge Baudenkmäler aus der fast 2000jährigen Geschichte der Stadt. Besonders lohnenswert ist der Besuch aber am 2. Sonntag im September. Das ist seit nunmehr 23 Jahren der Tag des offenen Denkmals. Natürlich kann man auch sonst Museen besuchen oder Kirchen anschauen und auch beim Bummel durch die Altstadt sind jede Menge Baudenkmäler zu sehen. Aber an diesem besonderen Tag werden auch Denkmäler zugänglich gemacht, die sonst verschlossen sind. Meist gibt es noch eine Führung dazu in der viele interessante Hintergrundinformationen vermittelt werden. Davon hatte ich am letzten Sonntag mir einige angeschaut.
Schiffsdurchzug am Wiedfang
Das ist ein schönes Beispiel für Denkmäler, die normalerweise verschlossen sind. Ich mag solche technischen Denkmäler, die uns sehr viel über das Leben in vergangener Zeit erzählen.
Die Anlage ist sicherlich zu klein, um sie als ständig geöffnetes Museum der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Am Eingang am Wiedfang 5 steht ein Schild, das die Funktionsweise erklärt. Zu besonderen Anlässen wird das Denkmal geöffnet, so wie am letzten Sonntag. Besonders schön ist, wenn dann noch die Funktionsweise der Anlage durch ein Mitglied des Arbeitskreises “Schiffahrsmuseum Regensburg e. V” sachkundig erklärt bekommt.
Regensburgs Wahrzeichen, die Steinerne Brücke, war im Mittelalter ein Segen für die Händler, die auf dem Landweg unterwegs waren. Für die Schifffahrt wurde mit ihr aber ein großes Hindernis errichtet. Zwischen den Brückenpfeilern wird teilweise eine Strömungsgeschwindigkeit von fast 15 km/h erreicht und der Höhenunterschied zwischen kann bis zu 70 cm betragen [1]. Lange Zeit war das ein unüberwindliches Hindernis für die Schifffahrt. Selbst die heutigen, stark motorisierten Schiffe haben hier manchmal noch Probleme. So wurden früher die Schiffen von Pferden an der Brücke vorbei durch Umgehungskanäle gezogen. Es gab sowohl an der Nord- als auch an der Südseite solche Kanäle. Die Schiffe wurden immer größer und irgendwann ging das dann nicht mehr. 1911 gab es dann Pläne, einen elektrisch betriebenen Seilzug zu errichten, der die Schiffe durch die Engstelle zieht. 1914 war die Anlage dann fertig gestellt. In einem kleinen unscheinbaren Gebäude am Wiedfang ist die Anlage untergebracht. Es gibt weltweit keine zweite Anlage dieser Art.
Zur Stromversorgung wurde die Energieversorgung der gerade errichtete Straßenbahn angezapft. Deswegen wurde der 50-PS-Elektromotor auch mit Gleichstrom betrieben. Die Armaturen zur Bedingung ähneln ebenfalls ein wenig der Technik aus der Straßenbahn.
Das große Zahnrad, das die Seiltrommel antreibt, sieht auf den ersten Blick aus, als ob es nicht mehr original ist und durch ein neues ersetzt wurde. Wenn man dann erfährt, dass es das originale Bauteil von 1914 ist und es vor der Restaurierung völlig verrostet war, dann kann man ein wenig erahnen, wie viel ehrenamtliche Arbeit in der Wiederherstellung der über 100jahrigen Anlage steckt.
Diese ist übrigens betriebsbereit. Das wurde beispielsweise 2012 demonstriert, als ein Kahn mit Oberbürgermeister Hans Schaidinger mit dem gerade renovierten Schiffsdurchzug durch die Steinerne Brücke gezogen wurde. In diesem Jahr wurde die Anlage wieder betriebsbereit gemacht, nachdem sie nach der Stilllegung Jahre 1964 fast 50 Jahre nicht benutzt werden konnte.
Auf einer größeren Karte anzeigen
Auerhaus
Das Auerhaus gehört genau wie der Schiffsdurchzug zu den Denkmälern, die nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Der Grund ist aber ein vollkommen anderer. Das mittelalterliche Gebäude wird durch die Katholische Deutsche Studentenverbindung Rupertia als Studentenwohnheim genutzt.
Das Bauwerk war früher sehr viel größer als heute. Entsprechend mächtig muss die Familie damals im Mittelalter gewesen sein. Das Highlight des Bauwerks ist die die Thomaskapelle, die sich im 1. Obergeschoss befindet. Heute wird dieser Raum als Gemeinschaftsraum des Wohnheims genutzt. Die Kapelle ist mit einem sehr schönen gotischen Kreuzrippengewölbe ausgestattet. Eine Apsis ragt ein wenig in die Gasse vor dem Haus. So ist die Kapelle auch von der Gasse auszumachen.
Sabina Cipra entführte die zahlreichen Besucher mit ihrem tiefgründigen Wissen über das Bauwerk und die Erbauerfamilie in die Zeit des Mittelalters. Sie erklärte sehr schön Hintergründe und Bedeutungen einzelner Bauteile, wie zum Beispiel der Schlusssteine des Gewölbes.
Auf einer größeren Karte anzeigen
Hausmuseum Kramgasse
Der Tag des offenen Denkmals stand dieses Jahr unter dem Motto “Gemeinsam Denkmäler erhalten”. Es ging also darum Denkmäler zu würdigen, die nicht nur durch staatliche Gelder erhalten werden sondern die auch durch privates Engagement.
Unweit des Doms in der Kramgasse 8 findet sich ein sehr schönes Beispiel, in den das private Engagement einer ganzen Familie zu Erhaltung eines mittelalterlichen Hauses beigetragen hat. Die Familie Baumann versucht seit mehreren Generationen, die Stube im 1. Obergeschoss wieder in ihren ursprünglichen mittelalterlichen Zustand zu versetzen. Herr Baumann, der Bruder des Eigentümers, berichtete über so manche Widrigkeiten, die bei der Restaurierung überwunden werden mussten. In dem Haus befinden sich einige Wohnungen. Die mussten natürlich mit modernen elektrischen Leitungen ausgestattet werden. Heutzutage werden Leitungen natürlich unter Putz verlegt. Das ging in diesen alten Bauwerk nicht. Unter dem Putz befinden sich an vielen Stellen ältere Fassungen des Raums, die teilweise mit aufwändigen Bemalungen versehen sind. Da einfach einen Schlitz für die Leitung zu fräsen, das geht natürlich nicht. Also mussten Aufputzleitungen verlegt werden. Die Suche nach Handwerkern, die das noch konnten, gestaltete sich sehr schwierig.
In der Stube wurden einige Putzschichten freigelegt.
Die Besucher konnten noch die ein oder andere Anekdote darüber hören, die die Familie bei der Restaurierung des Hauses erlebt hatte.
Auf einer größeren Karte anzeigen
Grafenreutherhaus
Das “Amore, Vino & Amici” ist immer einen Besuch wert. Nicht nur wegen des Essens. Mitten in der Innenstadt kann man hier in einem ruhigen Innenhof sitzen und das alte Bauwerk bestaunen. Vom Innenhof aus sieht man auch die beiden Türme, die von der Gasse aus nicht zu sehen sind.
Stefan Krabatsch brachte den zahlreichen Besuchern die Baugeschichte des interessanten Haus näher. So ist das heutige Gebäude aus zwei unabhängigen Bauwerken entstanden. Beim genauen Hinschauen sieht man das auch noch an einigen Stellen. Das Gebäude verfügt über zwei ehemalige Hauskapellen. Stefan Krabatsch wies die Besucher besonders auf die aufwändige Ausführung des Kreuzrippengewölbes hin, welche man sonst eher in Sakralbauten fände. Ebenso ist die Fassade zur Gasse sehr aufwändig ausgeführt. Das ist ein Indiz für die Bedeutung, die die Erbauer in der Stadt Regenburg hatten.
Interessant war auch die Besichtigung des Kellers. Bis vor einiger Zeit wurde dieser gastronomisch genutzt. Die “Alte Filmbühne” ist sicherlich manchen Regensburger ein Begriff. Die Räume sollen in Zukunft durch die Universität genutzt werden. Der Umbau steht kurz vor dem Abschluss. Extra für den Tag des Offenen Denkmals wurde die Baustelle geräumt, so dass die Besucher einen Eindruck der Räumlichkeit gewinnen konnte.
Interessant war es auch, den Grund für diese etwas grob gearbeiteten Aussparungen in den Türpfosten zu erfahren. Der Keller diente in früherer Zeit auch mal als Weinlager. Anscheinend passten die Weinfässer nicht so recht durch diese Türöffnungen, so dass diesen mit Hammer und Meißel zu Leibe gerückt wurden.
Auf einer größeren Karte anzeigen
Velodrom
Beim Namen “Velodrom” meint man, dass es sich bei dem Gebäude um eine Radsportstätte handeln müsse. Geplant war es auch als solche, nur fand dort nie eine Radrennen statt. Darüber und über sehr viel mehr Details zur Geschichte des Hauses berichtete Eginhard König. Er ging ausführlich auf die tragische Lebensgeschichte des Erbauers Simon Oberdorfer ein. Der jüdische Regensburger floh 1939 aus Deutschland in die USA. Dort wurde die Aufnahme verweigert. Vier Jahre später wurde er dann in Deutschland ermordet.
Eginhard König berichtete über die verschiedenen Nutzungen des Gebäudes und dessen allmählichen Verfall. Sogar der Abriss wurde diskutiert. Aufgrund des Engagements vieler Regensburger wurde das Velodrom ab 1998 zu einem wahren Schmuckstück umgebaut.
Mich als Statiker begeisterte natürlich die Dachkonstruktion, die seit dem Umbau freigelegt wurde. Die weit spannende Dachkonstruktion aus Stahl besteht aus Polonceau-Bindern. Das war für die damalige Zeit absolute Spitzentechnologie und lässt auch heute noch den Fachmann staunen.
Hier ein schöner Zeitungsartikel zur Geschichte des Hauses.
Auf einer größeren Karte anzeigen
[1] Ottl, Andreas: Die Donau und die Steinere Brücke – Hydraulische Besonderheiten, in Donau-Schiffahrt Band 10, Der Donaustrudel und der Elektrische Schiffsdurchzug an der Steinernen Brücke zu Regensburg. Bezugsquelle